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Schmiedeberg ohne Huuohuu - Schnauf

„… bis es 2004 wieder heißt: Huuohuu - Schnauf - Willkommen in Schmiedeberg!“
So endete der Bericht über die Familienfreizeit Schmiedeberg 2001. Aber manches kommt doch anders, als man denkt. Willkommen waren wir in Schmiedeberg. Aber kein Pfeifen der Dampflok riss uns morgens aus dem Schlaf. Die Weißeritztalbahn - nicht nur für die Kinder die große Attraktion - fuhr nicht, auf den Gleisen direkt neben dem Martin-Luther-King-Haus wuchsen Blumen.

Was war geschehen? Am 12. August 2002, also genau zwei Jahre vor unserem Besuch, brach das Unglück über Schmiedeberg und viele andere Orte herein. Es regnete und regnete. Stundenlang, tagelang. Wäre das Wasser als Schnee heruntergekommen, hätte er 12 Meter hoch gelegen. Die rote Weißeritz, sonst ein kleiner Bach, der durch Schmiedeberg fließt, verwandelte sich in einen reißenden Strom, der alles mit sich fortriss - Bäume, Häuser, Menschen, Straßen und eben auch Bahnschienen - und schließlich in Dresden den Hauptbahnhof unter Wasser setzte. Das sogenannte Jahrhunderthochwasser hatte die Täler geflutet.

Wir hatten natürlich davon gehört und Anteil genommen. Wir wollten jetzt wissen: Wie haben das die Betroffenen erlebt? Was half ihnen das Erlebte zu bewältigen? Stand auch das Martin-Luther-King-Haus unter Wasser? Wie sieht es jetzt - zwei Jahre danach - dort aus? Klaus Geiger, der Leiter des Martin-Luther-King-Hauses und stellvertretende Bürgermeister von Schmiedeberg, außerdem auch stellvertretender Obmann des EPiD, erklärte sich bereit, mit uns einen Hochwasser-Rundgang durch den Ort zu machen und abends zu erzählen und Fragen zu beantworten.

Auch zwei Jahre danach war das Hochwasser in Schmiedeberg überall gegenwärtig. Baustellen, wohin man blickte. Viele Häuser waren zerstört worden und inzwischen abgerissen. Hin und wieder gab es aber auch Gebäude, an denen - wegen ungeklärter Eigentumsfragen - noch nichts gemacht worden war und die deutlich machten, wie nach dem Fortspülen der Fundamente ganze Hausfassaden abbrachen. Die Hauptdurchgangstraße war schon bei unserem Besuch 2001 eine riesige Baustelle, weil damals die gesamte Infrastruktur erneuert wurde. Nun musste damit wieder von vorne angefangen werden, weil das Hochwasser die neuverlegten Rohre freigespült und zerstört hatte. Wir bekamen Häuser zu sehen, bei denen das Wasser bis zum Dach gestanden hatte, und welche, durch die der Fluss einfach hindurchgeflossen war. Das Hochwasser hat unheimlich viele der kleinen Brücken zerstört. Die restlichen müssen jetzt abgerissen werden, da das Bachbett erweitert wird, damit eventuelle zukünfige Hochwasser nicht wieder Schäden in diesem Ausmaß verursachen können.

Abends erzählte Klaus Geiger auf unser Bitten hin der zusammensitzenden Runde vom Hochwasser und Rettungsaktionen, von Hubschraubern und großer Hilfsbereitschaft. Einzelschicksale bewegten, manche hatten aber auch besondere Schutzengel: So die Frau, die nachts von großem Lärm aufwachte, auf die andere Seite ihres Hauses rannte und durchs Fenster sah, dass die halbe Schule weggerissen war. Dann ein erneuter Krach und ihr Schlafzimmer war weg! Das Martin-Luther-King-Haus lag hoch genug, dass das Wasser nur im Keller stand. Wir hörten, dass die Gäste zusammengerückt waren, um Platz zu machen für die Leute, die alles verloren hatten, und für Reisegruppen, die hängengeblieben waren. Allerdings war die Versorgung so vieler Leute auch nicht einfach. Es gab weder (Leitungs-)Wasser noch Strom oder Telefon. Die einzigen Verbindungen zur Außenwelt verliefen übers Viadukt. Über den Berg wurden Lebensmittel herbeigeschafft.

Enorm war die Hilfsbereitschaft, die die Schmiedeberger erlebten. Die ersten Helfer kamen sofort mit Schubkarren und Schaufeln über den Berg. Aus allen Teilen Deutschlands gab es Anfragen: „Was können wir tun?” Dadurch sind auch neue Städtefreundschaften entstanden. Später kamen dann die 40-Tonner mit Hilfsgütern. Die mussten erst mal ausgeladen werden! Besonders beeindruckend war auch die Schilderung von den gespendeten Küchen, alle verschieden in Größe und Ausstattung. Und eben doch nicht so viele, wie eigentlich gebraucht wurden. Aber das scheinbar Unmögliche wurde geschafft: Die Küchen konnten so verteilt werden, dass alle zufrieden waren.

Überhaupt hat das furchtbare Erlebnis die Schmiedeberger zusammengeschweißt. Im Gegensatz zu anderen Orten in der Gegend, wo die Einwohner untereinander Klagen wegen unterlassener Hilfeleistung laufen haben, ist das Miteinander in Schmiedeberg besser als in der Zeit vor dem Hochwasser. „Ich kenne nur zwei Leute, die noch nicht miteinander reden”, so Klaus Geiger. Das gute Verhältnis der Schmiedeberger untereinander ist bestimmt auch zum großen Teil der Persönlichkeit von Klaus Geiger zu verdanken, der es versteht zu vermitteln, der merkt, wo man zuerst anpacken muss, und es schafft, das zu organisieren, der freundlich aber standhaft das vertritt, was er für richtig hält.

Wir lernten auch andere direkt Betroffene kennen. So beim dortigen Posaunenchor, mit dem wir eine gemeinsame Probe abhielten und danach noch zusammensaßen. Da erzählte auch ein Bläser, dass sein Haus weggeschwemmt wurde und er jetzt in einem anderen Ort wohnt.

Vielleicht hat das Hochwasser auch positve Nachwirkungen. So wurde jetzt als Ersatz für die zerstörte Grundschule eine wunderschöne neue Schule auf dem Berg gebaut.

Übrigens stimmt es auch nicht, dass es überhaupt keine Dampfzüge gab. Ein paar fuhren doch, wenn auch nur ganz selten und auch nur das kurze Stück von Dippoldiswalde bis Seifersdorf, doch die Kinder kamen noch auf ihre Kosten. Und so hoffen wir, dass es 2007 wieder heißt „Huuohuu - Schnauf – Willkommen in Schmiedeberg!“

Ulrike Klein