Beide Bezirke
Südnassau Rheinhessen

Dialogpredigt: Von Posaunen und Trompeten

Dialogpredigt im Festgottesdienst am 16.11.2014 in der Talkirche Eppstein
anlässlich 45 Jahre PoCho Lorsbach und 20 Jahre PoCho Eppstein
„Gott loben, das ist unser Amt!“
„Musizieren zum Lobe Gottes und den Menschen zur Freude“
gehalten von Pfarrerin Heike Schuffenhauer aus Eppstein und Pfarrerin Kerstin Krause aus Lorsbach

Kerstin:
Seit 45 Jahren wird in Lorsbach regelmäßig in der Ev. Kirche mit Trompeten, Posaunen und Hörnern musiziert, in Eppstein seit 20 Jahren. Aber die Instrumente sind ja eigentlich viel älter. Sie werden doch sogar schon in der Bibel erwähnt. Vorhin im 98. Psalm haben wir zusammen gebetet: „Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem Herrn, dem König!“ (Ps 98,6)
Heike:
Das stimmt, doch Du darfst Dir die Posaunen und Trompeten nicht so vorstellen wie unsere heutigen Instrumente. Bei den biblischen Posaunen handelt es sich um das Horn von Tieren, von Schaf- oder Ziegenböcken oder auch Rindern, in dessen kleine Öffnung man hineinblies und meist nur einen Ton erzeugen konnte. Dieses Horn wurde als militärisches Signalinstrument im Krieg und zivil von den Wächtern zur Warnung vor Gefahren gebraucht, aber auch für den Heroldsruf bei der Thronbesteigung des Königs sowie zur Ankündigung des Halljahres, des Freijahres verwendet. Außerdem fand die Hornposaune kultische Verwendung für Signale an der Bundeslade, später im Tempel und wird teilweise bis heute in den Synagogen benutzt, um den Sabbat einzublasen (hebr. „schophar“ = Schofarhorn). Die biblische Trompete dagegen ist aus Metall, eine relativ schmale Röhre, die unten in einen etwas breiter werdenden Trichter mündet und noch keine Ventile hat wie unsere heutigen Trompeten. Ursprünglich zuerst in Ägypten nachweisbar, scheinen zu biblischen Zeiten in Israel mit der Trompete Befehle, etwa im Krieg, kundgetan worden zu sein. Außerdem ist sie ebenfalls als Kultinstrument, also im Gottesdienst und bei Festen eingesetzt worden. Da bin ich in der Vorbereitung dieser Predigt übrigens auf einen wunderbaren Abschnitt aus dem 4. Buch Mose gestoßen. Am besten, Du liest uns den mal vor!
Kerstin:
schlägt Bibel auf …
Vom Blasen der Trompeten (4 Mose 10,1-10)
  1. Und der HERR redete mit Mose und sprach:
  2. Mache dir zwei Trompeten von getriebenem Silber und gebrauche sie, um die Gemeinde zusammenzurufen und wenn das Heer aufbrechen soll.
  3. Wenn man mit beiden bläst, soll sich bei dir versammeln die ganze Gemeinde vor der Tür der Stiftshütte.
  4. Wenn man nur mit einer bläst, so sollen sich bei dir versammeln die Fürsten, die Häupter über die Tausende in Israel.
  5. Wenn ihr aber laut trompetet, so sollen die Lager aufbrechen, die nach Osten zu liegen.
  6. Und wenn ihr zum zweiten Mal laut trompetet, so sollen die Lager aufbrechen, die nach Süden zu liegen. Denn wenn sie weiterziehen sollen, so sollt ihr laut trompeten.
  7. Wenn aber die Gemeinde zu versammeln ist, sollt ihr nur blasen und nicht laut trompeten.
  8. Es sollen aber blasen mit den Trompeten die Söhne Aarons, die Priester; und das soll eine ewige Ordnung sein für euch und eure Nachkommen.
  9. Wenn ihr in den Krieg zieht in eurem Lande gegen eure Feinde, die euch bedrängen, so sollt ihr laut trompeten mit den Trompeten, dass euer gedacht werde vor dem HERRN, eurem Gott, und ihr errettet werdet vor euren Feinden.
  10. Desgleichen, wenn ihr fröhlich seid an euren Festen und an euren Neumonden, sollt ihr mit den Trompeten blasen bei euren Brandopfern und Dankopfern, damit euer Gott an euch denke. Ich bin der HERR, euer Gott.
Heike:
Du siehst, die Benutzung von Trompeten damals drückt sozusagen die öffentliche Ausrufung von Gottes Rechten in seinem Volk aus – sowohl in Richtung zum Volk als auch in seiner Beziehung zu ihm.
Posaunen- und Trompetenklänge begegnen uns in der Bibel immer wieder, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte Gottes mit seinem Volk und seinen Menschen:
  • Als Mose die 10 Gebote vom Berg Sinai empfing, ging ein sehr lauter Posaunenschall vom Berg aus, so dass das ganze Volk zitterte (2 Mose 19,16+19, Heb 12,19) – was heute hoffentlich nicht mehr passiert, wenn wir musizieren …!
  • Vielen bekannt auch die vorhin gehörte Geschichte von der Eroberung Jerichos durch Musik. Kräftige Posaunenklänge bringen die riesigen Mauern der Stadt zum Einsturz (Jos 6).
  • Bei der Einweihung des ersten Tempels vor rund 3000 Jahren in Jerusalem hat König Salomo 120 Priester engagiert, die mit Trompeten schmetterten (2 Chron 5,12).
  • Die Bibel erwähnt sogar einen „Tag des Posaunenschalls“. Gemeint ist das jüdische Neujahrsfest, Rosch ha-Shana, an dem die Juden des Bundes Gottes mit ihnen gedenken. Hier dient die Posaune, das Schofarhorn als äußeres Instrument, um den Menschen an seine moralischen Pflichten zu erinnern. So wird es bei diesem Fest im Morgengottesdienst nach der Tora- und Prophetenlesung sowie an mehreren Stellen des Zusatzgebetes in festgelegten Tonfolgen geblasen.
  • Posaunenklänge sind schließlich auch das akustische Zei- chen der Endzeit. Am Ende der Tage, wenn Jesus wieder- kommt, wird die Posaune Gottes erschallen (1 Thess 4,16).
Kerstin:
Gott hat offenbar eine besondere Vorliebe für Bläsermusik! Dann lasst doch gleich noch einmal welche erklingen zu seiner und der Menschen Freude!

Posaunenchöre: Go down Moses

Kerstin:
Das Posaunen- und Trompetenspiel hat also schon eine sehr lange Tradition in der Geschichte der Juden und Christen. Doch sag mal, seit wann gibt es denn die Posaunenchöre, so wie wir sie heute in der Kirche kennen? Wie hat das alles angefangen?
Heike:
Die Anfänge der heutigen Posaunenchorarbeit liegen in der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Dieser evangelischen Bewegung ging es darum, Menschen in und außerhalb der Kirchen zu erreichen und einen lebendigen, von Herzen kommenden Glauben in ihnen zu wecken. Bei Zeltmissionen und Freiluftgottesdiensten hatten Posaunenchöre die Aufgabe, die Verkündigung des Wortes Gottes vor allem in den Chorälen zu verstärken. Sie waren das musikalische Ausrufezeichen zur Predigt, die mobilen „Allwetter-Orgeln“. Eine besondere Bedeutung kommt Pastor Eduard Kuhlo (1822–1891) und seinem Sohn, dem „Posaunengeneral“ und Reichsposaunenwart Johannes Kuhlo (1856–1941) zu, die mit ihrem Engagement, u.a. der Organisation von großen Bläsertreffen und –schulungen, als die „Väter“ der westfälischen Posaunenchöre gelten. Johannes Kuhlo war Pfarrer der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel und Vorsteher der dazugehörigen Diakonenanstalt. Die dort ausgebildeten Diakone ließ er Blechblasinstrumente spielen und erreichte auf diese Weise eine flächendeckende Verbreitung der Posaunenmusik in den evangelischen Gemeinden. Und von Westfalen aus breiteten sich die Posaunenchöre in ganz Deutschland aus. Heute gibt es in der Evangelischen Kirche bundesweit knapp 7.000 Posaunenchöre mit rund 100.000 Bläserinnen und Bläsern!
Kerstin:
Das ist beeindruckend! Und jetzt verstehe ich auch, warum es Posaunenchöre fast nur in der evangelischen Kirche gibt. Die Katholiken kennen diese Tradition offenbar gar nicht.
Heike:
Ja, das stimmt! Es gibt zwar auch einzelne Blechbläserkreise in katholischen Kirchengemeinden, doch diese sind die Ausnahme. Deshalb musizieren in unseren Posaunenchören oft Katholiken mit. Und wir sind als evangelische Bläserinnen und Bläser immer gerne gesehen zur musikalischen Begleitung bei der Fronleichnamsprozession oder beim Martinsumzug!
Kerstin:
Du selbst spielst da ja auch mit. Wie lange machst Du das eigentlich schon und warum? Schließlich hast Du ja nicht so viel Freizeit.
Heike:
Ich spiele seit 1976, dem Jahr meiner Konfirmation, mit wenigen Unterbrechungen in einem Posaunenchor mit. Mir macht es Spaß, gemeinsam mit anderen Menschen, die ganz unterschiedlich alt sind, zu musizieren, und ich liebe den Blechbläserklang. Für mich gehört ein Posaunenchor unbedingt zu einer Kirchengemeinde dazu, um das Lob Gottes zu verstärken und in die Welt hinaus zu posaunen – im Gottesdienst, bei kirchlichen, aber auch ganz anderen Veranstaltungen. Für mich sind Posaunenchöre lautstarke Botschafter der Kirche und der Menschenfreundlichkeit Gottes.
Kerstin:
Und Deine Mitbläserinnen und Mitbläser? Warum musizieren die im Posaunenchor, kommen – teilweise sogar von weiter weg und oft abgehetzt von der Arbeit – einmal in der Woche zur Probe, nehmen sich am Wochenende Zeit, um im Gottesdienst oder bei anderen Gelegenheiten Musik zu machen? Sie könnten ja auch in einen Musikverein gehen, oder?
Heike:
Ja, das stimmt und manch einer ist wirklich so vielseitig und musiziert derart gerne, dass er auch in anderen Gruppen oder Bands mitspielt. Und auf jeden Fall helfen sich Posaunenchorbläserinnen und –bläser selbstverständlich gegenseitig aus, unterstützen sich, wenn bei einem Termin Leute fehlen und eine Stimme unterbesetzt ist. Tja, warum machen Menschen das? Weil ich geahnt habe, dass Du mich das fragen würdest, habe ich diese Frage den Mitgliedern unserer beiden Chöre gestellt und kann Dir jetzt einige persönliche Antworten zitieren, an denen Du sehen kannst, wie unterschiedlich die Gründe sind:

Ich spiele im Posaunenchor mit, weil …

  • … mich das Klangerlebnis schöner Musik in der Kirche jedes Mal aufs Neue begeistert. Es bereitet mir unglaubliche Freude, mitgestaltender Teil dieses Erlebnisses zu sein.
  • … ich als Kind den Klang der Blechblasinstrumente das erste Mal in einem Gottesdienst wahrgenommen und mich gleich in ihn verliebt habe.
  • &hellip: ich den besten Chorleiter habe.
  • &hellip: der Lorsbacher Posaunenchor längst eine Art Familie für mich geworden ist; man überall, wo man hinkommt, im Posaunenchor willkommen ist; Posaunenchöre eine große Gemeinschaft bilden; eine bunte Mischung an Musikliteratur gespielt wird; Posaunenchöre ohne große Aufbauzeit stets einsatzbereit sind.
  • … ich die Leute mag, ihnen treu bin, gemeinsame schöne Erlebnis- se mich an den Chor binden und ich bis ins hohe Alter an Leib und Seele fit bleiben möchte.
  • … ich dort in Gemeinschaft mit anderen Bläsern für das Geschenk, Trompete spielen zu können, Gott am besten danken und ihm dienen kann.
  • … es eine Möglichkeit ist, Gottes Wort mit dem Instrument zu verkünden!
  • … Posaunenchor war mein Jugendtraum – aber damals war „Tröten“ reine Knaben- bzw. Männersache. Im Jahr 2000 ging mein Traum in Erfüllung.
Du siehst: Posaunenchöre können sogar Kindheitsträume verwirklichen helfen! Auf jeden Fall bin ich fest davon überzeugt, dass auch Gott die Posaunenchöre liebt, denn er selbst ist ein Musikliebhaber! Er hat uns die Fähigkeit zum Musizieren anvertraut, uns Odem/Atem, Klang eingehaucht, uns mit unserer Stimme ein kostenloses, mobiles, allzeit einsetzbares Musikinstrument eingebaut, uns die Musik als Wohltat für die Seele geschenkt. Und bestimmt hat er seine Freude an unserem Gebläse, wünscht sich, dass unser ganzes Leben eine von Herzen kommende Melodie sei. Mir fällt da jener wunderbare Satz des bengalischen Dichters und Musikers Rabindranath Tagore ein: „Gott achtet mich, wenn ich arbeite; aber er liebt mich, wenn ich singe.“ In Abwandlung dieses Wortes können wir heute sagen: „Gott achtet mich, wenn ich arbeite; aber er liebt mich, wenn ich im Posaunenchor spiele.“

Pfarrerin Heike Schuffenhauer
Ev. Talkirchengemeinde Eppstein