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Landesposaunentag 2004 - „rückgeblickt” und (un-)überlegt

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    Ja, es war an der Zeit.
    Nach 12 Jahren Abstinenz konnte am 09. und 10. Oktober wieder ein großes EKHN-weites Bläserereignis unter dem Leitgedanken: „Wir trauen uns zu dir” veranstaltet werden. - Endlich.
    Der Anlass war gut bedacht: das 150. Jubiläum des Ev. Posaunenchores Gi-Kleinlinden.
    Es gab wohl kaum eine bessere Wahl, den Landesposaunentag in Verbindung mit dem Jubiläum eines der ältesten Posaunenchöre in Deutschland zu feiern.
    Fast vergessen, die vor vielen Jahren initiierten, vergeblichen Proteste und Unterschriftsaktionen zum Zeitpunkt der Absage des LPT, der in Alsfeld geplant war.
    Fast vergessen, die aus damaliger Bläsersicht vorgeschobenen Argumente von angeblichen Personalproblemen und weiteren, wenig überzeugenden Argumenten der Kirchenmusik-Verantwortlichen in Darmstadt.
    Fast vergessen, die zur Beruhigung der Bläseremotionen mit Vorschusslorbeeren bedachte „Ersatzveranstaltung” für die Bläser 1997, das Kirchenfest: 50 Jahre EKHN, eine mit organisatorischen Mängeln behaftete gemeinsame Veranstaltung von Sängern und Bläsern, die in Vorbereitung und Durchführung beide Gruppen nicht zusammenführte, sondern eher die kirchenmusikalische Unterschiedlichkeit offenbarte.

    Der Landesposaunentag 2004 begann, wie schon bei anderen Bläsertagen erfolgreich praktiziert, mit dem Eröffnungsblasen und anschließenden „Workshops”, die in der Tat einer großen Bläseranzahl die Themen: Swing, Felix Mendelssohn, Volksmusik und ein Jungbläserfestival erfolgreich „verkauften”. Die Teilnehmerresonanz war inhalte-bezogen teilweise überwältigend. Fast alle Dozenten konnten die Workshop-Bläser überzeugen, dass zielgerichtetes Blasen Spaß macht, dass mit Motivation selbst große Schwierigkeiten zu meistern sind und dass konzentriertes Trainieren - auch bei so genannten Laien - zu befriedigenden Ergebnissen führt.
    Dass die bläserische „Schinderei” letztendlich von Erfolg gekrönt ist, bewiesen am Samstagabend die Profis von „German Brass”, die für alle ein meisterliches und humorvolles Programm zelebrierten. Trotz Mängeln in Akustik und Aufbau, die in einer karg ausgestatteten Ausstellungshalle nicht zu vermeiden sind, boten die Musiker unter der Leitung von Enrique Crespo ein bläserisches Feuerwerk an, das begeisterte. Der Beifall war teilweise so enthusiastisch, dass selbst die 10-köpfige Gruppe sogar nach der dritten Zugabe, wenn auch leicht ansatzschwächelnd, noch ihren Spaß hatte. Kein Wunder, wenn Bläser für Bläser spielen - eine ganz tolle Sache.
    Am Sonntagmorgen stand die Probe für den Festgottesdienst am frühen Nachmittag an. Für einige zu früh, obwohl immer absehbar und nicht verwunderlich für routinierte Teilnehmer an Posaunentagen. Die Strapazen der Workshops am Vortag, das Bläserkonzert von „German Brass”, die Nacht in fremder Umgebung, auf teilweise schlecht gepolsterter Unterlage - das gehört dazu, ob an Kirchentagen oder großen Bläserveranstaltungen. Da müssen und mussten alle durch - für manchen Jungbläser aber eine neue Erfahrung. Unter professioneller Anleitung der manchmal nicht zu beneidenden, aber letztendlich dennoch motivierten Landesposaunenwarte stand - irgendwann nach 13:00 Uhr mittags - das Programm. Bis dahin waren auch die „nichtprobennotwendighabenden Ventildrückeberger” und die letzten müden Bläser aus ihren „Kojen” herausgekrochen oder verspätet angereist.

    Anstehen für das Mittagessen, scheinbar ein fester Programmpunkt im Ablauf eines großen Posaunenfestes. Trotz Wissen um diese Problematik, stets eine immer wiederkehrende Herausforderung, immer wieder eine kaum lösbare Aufgabe für die Organisatoren. Das Meckern hielt sich insgesamt in Grenzen. Gottseidank, dass die ”Genadendaler Brass Band” aus Südafrika mit fröhlicher Musik mithalf, die letzten Krümel in den Magen zu spülen, rechtzeitig, noch ehe der Festgottesdienst begann.

    Ein abwechselungsreicher Gottesdienst erwartete die Gottesdienstbesucher, Zuhörer und Gäste, die zum Teil schon viele Kilometer Anreise hinter sich hatten.
    Dass es einige Takte brauchte, bis sich die Bläsergruppen beim Eingangspräludium, einem Doppelchor von Heinrich Schütz, auf das richtige Schlagmaß einigten, fand ich als zuhörender Posaunenchorleiter ehrlich beruhigend. Warum sollte es auch in einem großen Massenchor anders zugehen, als beim heimischen Chor bei ähnlich „lampenfieberträchtigen Veranstaltungen”?
    Um es vorweg zu nehmen: Ein großes Lob an die Landesposaunenwarte Johannes Kunkel und Albert Wanner, denen es während des gesamten Gottesdienstverlaufs unter ständiger gegenseitiger Beobachtung gelang, die „Massen” bis auf wenige Ausnahmen taktgenau im Zaum zu halten. Auch Frank Vogel hatte seinen „Bühnenchor” fest im Griff. Wenn der Swing seinem nicht gerade unterernährten Körper ungeahnte Beweglichkeit verlieh, konnte man auch unter den Gemeindemitgliedern ein leichtes Zucken der Gliedmaßen beobachten.

    Prof. Dr. Peter Steinacker hielt die Festpredigt über das Gemeindelied: „Wir strecken uns nach dir…” (EG 625), vor rund tausend Anwesenden.
    Ich wiederhole es zum zweiten Mal: „Ja, es war jetzt an der Zeit”, dass sich gerade jetzt unser Kirchenpräsident die Zeit genommen hatte, für Bläser und Gemeinde herauszuarbeiten, was es in unserer teilweise menschenverachtenden und konsumorientierten Zeit heißt, im Sinne des Evangeliums, die im Lied betont gewichtigen und bedeutungsvollen Worte, wie Lebendigkeit, Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Beständigkeit und Vollkommenheit zu hören.
    Danke, Herr Kirchenpräsident, dass Sie uns zum Nachdenken gebracht haben, dass Sie durch Ihre Anwesenheit, den Stellenwert der Posaunenbläser in ihren Gemeinden und Kirchen gestärkt haben, dass Sie in einigen Gesprächen mit Posaunenwerksverantwortlichen aber auch mit Worten an einzelne Bläser aus dem Festchor uns allen Mut gemacht haben, an unserem Leitgedanken auch zukünftig festzuhalten: „Gott loben, das ist unser Amt.”

    Eigentlich müsste mein Resümee jetzt enden. Doch sollten einige Beobachtungen und Anmerkungen zum Festgottesdienst und zum Landesposaunentag nicht unausgesprochen bleiben.
    Ich verheimliche nicht, dass meine Gedanken nicht immer das Gottesdienstgeschehen konzentriert verfolgten.
    Da war zum Beispiel der ”Dreikäsehoch”, wohl um die 10 Jahre alt, weißes Hemd, dunkle Hose, mit seiner „überdimensionalen” Tuba, der manchmal Mühe hatte, sein Instrument aufrecht zu halten. Er konnte nicht alles mitblasen, vor allem, wenn ihm die swingenden, teilweise nicht einfachen rhythmischen Stücke scheinbar Schwierigkeiten bereiteten. Gedankenverloren und gleichwohl beeindruckt beobachtete er, wenn er nicht blies, das Geschehen um sich herum.
    Ich erinnerte mich an meinen ersten großen Posaunentag als Jungbläser, damals in Ulm - als ein Trompetenbläser unter 6000 anderen Posaunenchörlern im und vor allem bei der Abschlusskundgebung vor dem Münster.
    Ob dieser Jungbläser sich gefragt hat, welche Bedeutung wohl das Zeichen auf der abgehängten Fahne direkt hinter dem dirigierenden Landesposaunenwart Johannes Kunkel hatte. Hatte man ihm gesagt, dass in den Bezirken des Posaunenwerkes in den vergangenen Monaten ein heftiger Streit entbrannt war um dieses Bläserzeichen und dem neuen Emblem, zu sehen auf den Programmheften und auf dem Hessischen Bläserheft 2004? Hat er sich gewundert, warum wenige Notenständer weiter ein Bläserheft mit anderem Einband aber gleichem Inhalt auflag?
    Der Bezirksverband Rheinhessen war nach meinen Beobachtungen nur mit wenigen Posaunenbläsern vertreten. War den Chören um Alzey, Worms und anderen Orten der Weg nach Gießen zu weit? War der Rhein wieder einmal die Grenze ins ehemals „feindliche” Hessen, wie einer augenzwinkernd bemerkte? Wo war der Repräsentant des Bezirksverbands beim Vortragen der Fürbitten, an denen sich alle anderen Bezirke beteiligten?
    Wenige Sitzplätze entfernt von mir saß Burkhard Mohr, der Komponist der Sylvester-Suite, die ebenfalls im neuen Hessischen Bläserheft abgedruckt ist und aus der 2 Stücke am Ende des Gottesdienstes gespielt wurden: „Consolation” (Tröstung) und „Rückblick”. Ober er zufrieden war mit der „Darbietung”?
    War es geschickt von den Programmverantwortlichen, diese beiden Sätze unter der Rubrik: „Cool down” am Ende des Schlusswortes zu blasen, unmittelbar gefolgt von „Puente Pexo”, einem aus dem Radio bekannten Schlager aus Mittelamerika?
    Schon beim Postludium, als der südamerikanische Titel „Acuarela do Brasil” erklang, hatte ich Zweifel, ob ein derartiges Stück an dieser Stelle richtig platziert war. Sicher mit viel Spaß von den Bläsern gespielt und von der Festgemeinde mit entsprechendem Beifall bedacht, hätte ich mir als Programmpunkt am Ende eines Gottesdienstes etwas anderes vorgestellt.
    Ich möchte nicht missverstanden werden. Auch meinen Bläsern im heimischen Chor sind derartige Stücke und Rhythmen nicht fremd. Aber gerade dieser Titel erinnerte mich sofort an das musikalische Ende einer Mainzer Fastnachtssitzung. Ich meine, alles zu seiner Zeit.

    Auch in der Reihe hinter mir wurde ab und an getuschelt, unterschiedlichste Fragen gestellt, die nicht beantwortet wurden. Zum Beispiel: Ob die „hohen Kiekser” beim Nachspiel zum Lied: „Nun danket alle Gott” dazugehörten? (Gemeint war wohl hier die mit etlichen Schwierigkeiten behaftete Oktavierung der Sopranstimme im Liedteil des Doppelchorstückes von J.S.Bach.) Weiter interessierte: Ob die Titel des Kirchenpräsidenten der Hinweis auf ein Medizinstudium sei? Oder: Wann und wo der nächste Landesposaunentag stattfände?

    Horst Schopbach, der 1. Vorsitzende des Posaunenwerkes der EKHN, meldete sich in diesem Gottesdienst (wenn auch einmal ungewollt) vier Mal zu Wort.
    Ich denke, er fand passende Worte im Rahmen der Begrüßung, der obligatorischen Grußworte, dem Schlusswort und der in der Hektik vergessenen Ankündigung der Kollekte. Er lobte mehrfach die professionelle Arbeit der 3 Landesposaunenwarte und deren Engagement und bedankte sich uneingeschränkt für deren Leistung im Zusammenhang mit den intensiven Vorproben und an den Tagen des Festes. Ich kann diesem Votum nur beipflichten, als zuhörender Chorleiter und auch als Bläser.

    Was bleibt, ist die Hoffnung, dass dieses Lob für drei „einsatzfreudige” Landesposaunenwarte auch von allen anderen Verantwortlichen im Posaunenwerk der EKHN getragen wird.
    Was bleibt ist die Hoffnung, dass die Harmonie, die viele Bläser und Besucher während des Landesposaunentages wahrnahmen, auch ihre Resonanz in den verantwortlichen Posaunenwerkskreisen findet, wenn es um kritische Diskussionen in Sachfragen und Finanzen geht.
    Was bleibt, ist die Hoffnung, dass bei allen kontroversen Debatten, die Worte des Predigtliedes im Verlauf der Ansprache durch unseren Kirchenpräsidenten auf diesem bedeutenden Landesposaunentag hervorgehoben, allen stets in Erinnerung haften bleiben: Lebendigkeit, Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Beständigkeit und Vollkommenheit.
    Ja, es war an der Zeit, dass dieser Landesposaunentag stattfinden konnte.

    Hans-Georg Lachnitt
    Posaunenchor Mainz Paulusgemeinde

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