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Grenzenlos – 30 Jahre GERMAN BRASS

Zum wievielten Mal ich mir das angetan habe, weiß ich nicht mehr. Eigentlich begleiten sie mich überall mit ihrem einmaligen Sound: mit den Tönen in Schwindel erregender Höhe, den Pedaltönen aus dem Urgrund der Erde, den soften Piano-Harmonien, den schmetternden Klang Attacken, den komplizierten südamerikanischen Rhythmen, den anspruchvollen Kompositionen und Arrangements: zu Hause aus den Boxen der Stereoanlage auf dem Sofa, im Auto auf der Autobahn aus dem Discplayer: GERMAN BRASS.

German 
Brass Logo

Jetzt erlebte ich GERMAN BRASS wieder live in einem Konzert. Vor der Pause mit ernsten klassischen Kompositionen, vor allem denen von J.S.Bach, dann im zweiten Teil auf der Reise „Around the world” mit Bossanovas und Dixies, Sambas und Mambos. Dazwischen die lockere, aber anspruchsvolle Moderation, die der Zuhörer braucht, „um darüber nachzudenken, warum die Musiker nicht weiterspielen.” Wenige Minuten, die auch diese Könner wahrscheinlich brauchen, um den Lippen die nötige Blutzufuhr zu gönnen, aber auch, um den Kontakt zum Publikum zu intensivieren.

Wenn die 10 Männer hinter ihren Pulten auf der Bühne stehen, scheint es keine Grenzen mehr zu geben. Sämtliche Gesetze der Musik, der Töne und Klänge, Rhythmen und Dynamik, des Tempos und der Artikulation in Höhe und Tiefe, Lautstärke und Geschwindigkeit werden durchbrochen. Dem Laien, der sich einigermaßen auszukennen scheint mit dem Ansatz der Lippen, der Bewegung der Finger, dem Forte und dem Piano, öffnen sich neue Welten, die vorher nicht zu ahnen waren. Dem einen bleibt der Mund offen stehen, dem anderen läuft es kalt und heiß den Rücken herunter, ein anderer meint, er sei in einer Zauberwerkstatt. Wenn sich der Schock und die Verblüffung löst, rauscht orkanartig der Beifall.

Und das seit 30 Jahren. Vor drei Jahrzehnten gründete Enrique Crespo das „Deutsche Blechbläserquintett” mit fünf Solobläsern der Berliner Philharmoniker, den Bamberger Symphonikern und dem NDR-Symphonieorchester. Schon bald macht er den damaligen „Hoheitsträgern der Blechkunst”, dem Philip Jones Ensemble und Canadien Brass scharfe Konkurenz. Mit Johann Sebastian Bachs Kompositionen, die dieser eigentlich für Orgel und Orchester, für Sänger und Streicher geschrieben hatte, blies sich das Ensemble in die Herzen und Charts der Blechbläser-Begeisterten. Es waren immer die originalen Töne von Bach, in Höhe und Melodie, in Harmonie und Darstellung, die jetzt von dem aus 10 Virtuosen bestehenden Ensemble unnachahmlich musiziert und interpretiert wurden. Von Matthias Höfs arrangiert, klangen die Fugen und Suiten, Chorwerke und Solokonzerte so, als hätte Bach dies so gemeint.

Inzwischen gibt es neben dem persönlichen Kennenlernen und Erleben in den Konzertsälen Deutschlands und darüber hinaus natürlich unzählige Einspielungen auf CD. Was bei allen besticht ist der saubere Klang, die Souveränität, die Abgeklärtheit, die Ehrfurcht vor der Musik. Es ist nie Klamauk, sondern Kunst. Dass neben Bach und den anderen alten Meistern auch neue poppige Klänge jeweils im zweiten Teil intoniert werden, ist seit den ersten Tagen Tradition. Hier liegt ein Rezept des Erfolges. „GERMAN BRASS ist schon immer den Weg einer kompromisslosen, genreübergreifenden Musikauswahl gegangen”, schreibt Enrique Crespo.

Zurück zum Live-Konzert Ende Februar. Die riesige Halle war ausverkauft, gefüllt und besetzt mit zu 50% Kennern der Blechblas-Materie, mit Bläserinnen und Bläsern, Chorleiterinnen und Chorleitern aus den Posaunenchören. Sie konnten nicht nur staunen und sich freuen, klatschen und jubeln. Sie konnten erfahren und erleben, dass sich Üben lohnt, das Musizieren auch Profis Freude macht. Sie konnten auch hören und sehen, dass Musizieren grenzenlos sein kann.

Den symphatischen Musikern gilt ein herzlicher Glückwunsch zum 30. Geburtstag und viel Freude dabei, anderen immer wieder eine Freude zu machen. Also: ”Auftakt” und „Einsatz” für die nächsten 30 Jahre!

Karl-Heinz Saretzki
Artikel aus dem Posaunenchor-Magazin