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Südnassau Rheinhessen

Das kleine Fis

Es war einmal ein kleines Fis.
Es entstand, als eine musikalische und sehr ehrgeizige Mutter ihr Kleinkind vors Klavier setzte. Das Kind tippte vorsichtig mit dem Finger auf eine der Tasten und es machte „pling“ „Genau auf Fis, er ist ein Genie“ seufzte die Mutter verzückt. Das kleine Fis hörte nur seinen Namen und das Wort „Genie“ und schwebte verklärt zur Decke.
Aber wie das mit Kleinkindern so ist, kaum hatte das Kind gemerkt, dass da Töne entstehen, patschte es mit allen Händen aufs Klavier.
Barromm, Bromm, Dadong
„Aufhören, das ist ja grauenvoll“ rief die Mutter und nahm das Kind vom Klavier weg.
Das kleine Fis hörte nur die anderen Töne und das Wort „grauenvoll“ und sonnte sich im Glanz, der einzig wahre, wunderbare, genau richtige und perfekte Ton zu sein, während die anderen Töne ja alle nur „grauenvoll“ waren.
Auf dem Klavier wurde noch mehrfach gespielt und immer klang das Fis von seinem Platz unter der Decke mit, denn es war ja viel besser und schöner als all die anderen Töne.
„he, hör doch auf„ sagte die B-Dur „du passt hier doch garnicht rein“
„ICH bin der einzige wahre und richtige Ton „ sagte das Fis „IHR seid falsch und passt nicht“
Aber die Besitzer wussten das seltsamerweise garnicht zu würdigen
„Irgend etwas klingt hier immer mit und stört“ jammerten sie und warfen das kleine Fis einfach aus dem Fenster.
„Ignorantenpack“ dachte das kleine Fis „ich such mir einen Platz, wo man mein Genie noch würdigt“

Es kam an eine Musikkneipe
„Ah, hier bin ich richtig, hier hat man Ahnung von Musik und kann meine Einzigartigkeit würdigen“
In der Kneipe saßen 2 Musiker beim Bier
„Ey, soll isch dirman Witz erzähln?“ lallte der eine „geht Miles Davis aufn Berg und spielt ein glockenreines, wunderbares F; kommt das Echo zurück und ist ein glockenreines wunderbares Fis….“
„hier!“ rief das kleine Fis „ja, das wunderbarste Fis aller Töne, hier bin ich“
„ jajaja “lallte der andere Musiker „aufm Berg steht ein Kreuz. Ey Alder, der Witz is uralt“
Das kleine Fis schwebte empört nach draußen
Diese besoffenen Deppen hatten ja mal garkeine Ahnung, das kann ja wohl nicht wahr sein?

An der A 66 war ein großes blaues Schild, das gerade neu beschriftet wurde.
„Hey du Fis, komm doch her und setz dich aufs Schild, ist doch viel kürzer als F-Kreuz“ lachte einer der Schildermaler.
„ach Blödsinn, das kapiert doch keiner“ sagte der andere
„pfhhh“ das Fis hob die Nase so hoch es konnte und schwebte weiter

Am nächsten Haus war ein Schild „Musikschule“
„oh, sowas gibt’s?“ wunderte sich das Fis
Warum eine Schule, ich bin doch schon perfekt, ich muss doch nichts mehr lernen. Ach so, die grauenvollen anderen Töne alle, die müssen schwer büffeln, damit sie auch nur annähernd meine Klasse erreichen.
Neugierig schwebte es in die Schule.
„hey kuck mal, der Ton da mit dem #hashtag“ riefen ein paar Schüler
„Ignoranten, die ganze Welt ist voller Ignoranten“ schüttelte das Fis den Kopf.

In einem Raum war gerade Musiktheorie-Unterricht.
Das kleine Fis war, wie gesagt, noch sehr klein und kapierte die Zusammenhänge nicht so richtig, aber es hörte ganz genau, wie der Lehrer etwas von Fis und Tritonus erzählte, das wäre der „Teufel in der Musik“ und es wäre lange Zeit sogar verboten gewesen damit zu komponiere…
Zutiefst erschüttert schwebte das Fis wieder hinaus und wenn Töne weinen könnten, dann hätte es jetzt geweint.

Das Fis schwebte weiter, ziemlich traurig, auch sein strahlender Glanz war mittlerweile schon recht ramponiert und matt geworden.
So kam es zum Quintenzirkel.
Vorsichtig lugte es mal bei ein paar Tonarten rein.
„Iiiih ein Fis, wie fies“ riefen die B's empört „ das gehört doch garnicht hier hin, weg damit“
„naja, ein freundlicher Kompromissvorschlag“ sagte die Des-Dur „Wenn du es schaffst als Ges zu kommen, darfst du mitmachen“
„Ich bin ein Fis und kein Ges! Auf sowas lass ich mich garnicht ein“ sagte das Fis stolz und wanderte weiter zu den andern Tonarten. Aber irgendwie erwischte es wohl die falschen Türen
„Es und As gehen ja noch, aber das Des wird schon anstrengend und dann noch ein Ges dazu… och nö, lass ma lieber, wir kommen auch gut ohne dich klar“ sagte die As-Dur.
Und Es-, B- und F-Dur vertrieben es geradewegs aus ihren Räumen.
Wieder stand das Fis draußen und verzweifelte langsam.
Um die C-Dur machte es einen großen Bogen, es hatte das mit dem Tritonus noch nicht vergessen, aber bei G-Dur…
„Hey, ein Fis, komm rein“ rief das G „ich brauch dich hier als Leitton“
„Wie schön, dass mich endlich mal jemand brauchen kann“ seufzte das Fis
„ja, klar, du als Leitton zeigst immer auf mich hin, du kündigst mich sozusagen an“ sagte das G
„Nicht gerade eine Solokarriere“ dachte sich das Fis „aber besser als nix“ und arbeitete einige Zeit als Leitton bei G-Dur.
Bis es eines Tages eine Tür sah mit Aufschrift D-Dur, neugierig lubschte es mal rein.
„Ein Fis“ rief das D hoch erfreut “Endlich kommt ein Fis“
Es umarmte das Fis und zog es in den Raum
„Hey A, kuck mal, da ist das Fis, das wir schon so lang suchen“
Das A kam herbei
„Klasse, endlich ein Fis, Du glaubst garnicht wie öde das als reine Quinte so ist, ist zwar perfekt, klingt aber einfach nur leer““
Das D und das A rückten ein bisschen zur Seite und machten zwischen sich Platz für das Fis.
Das Fis war so überwältigt von der Freundlichkeit, dass es sich ein bisschen duckte. Dadurch wurde es ganz leicht tiefer und auf einmal war er da: der perfekte Akkordklang, wenn alle Schwingungen in Harmonie zusammen passen und ein winziges Bisschen des göttlichen Klangs des Universums durchscheinen kann.
Das Fis seufzte glücklich und kuschelte sich zwischen D und A.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kuscheln … ääähh … klingen sie noch Heute.

Barbara Alban
EPC Eltville